Talking to … Sanne Juncker Pedersen
Über innovatives Filmmarketing
15.09.2025
Die Expertin für Audience Development am Danish Film Institute hat SWISS FILMS bei der Projektauswahl für den neuen Campaign Booster beraten.
Auf welche Kriterien haben Sie bei den eingereichten Projekten in Bezug auf deren Marketingstrategien besonders geachtet? Was sind die Must-haves?
Die eingereichten Projekte habe ich mit Neugier und Zurückhaltung gesichtet, da mir bewusst war, dass der Schweizer Markt etwas anders funktioniert als der dänische. Ich habe nach überlegten und stichhaltigen Elementen gesucht, die Reichweite und Impact der Projekte stärken könnten.
Ich habe inbesondere darauf geachtet, wie gut jedes Projekt sein Publikum verstand und beschrieb, ob die Strategie auf den jeweiligen Film zugeschnitten war und ob die Verbindung zwischen dem anvisierten Publikum und der einzigartigen Qualitäten des Films erfolgsversprechend oder eher aufgesetzt wirkte. Ich suchte nach einer klaren und starken Positionierung, einem überzeugenden Konzept, einem realistischen Plan und einer fundierten Nutzung von Erkenntnissen oder Daten, welche die vorgeschlagenen Massnahmen abstützen.
Audience-Development-Initiativen und eine starke Marketingstrategie sollten auf Erkenntnissen basieren, nicht auf Annahmen. In manchen Dossiers habe ich eine fundierte analytische Grundlage vermisst; nicht nur im Hinblick auf Demografie, sondern auch in Bezug auf Verhalten, Erwartungen und kulturelle Relevanz. Meiner Erfahrung nach sollte nicht nur die Frage beantwortet werden, für wen der Film gedacht ist, sondern auch, wie die Kampagne oder die Audience-Development-Strategie das Publikum auf einer tieferen Ebene erreichen und einbinden möchte.
Ich habe mich darauf konzentriert, Ideen oder Elemente zu identifizieren, die auf eine sinnvolle Einbindung abzielten, nicht nur auf mehr Sichtbarkeit. Authentische Partnerschaften und die gezielte Mitwirkung der Kreativschaffenden waren für mich ebenfalls Schlüsselfaktoren. Ich schätze insbesondere Projekte, die eine Zusammenarbeit mit Kinos oder lokalen Partnern in Betracht ziehen, anstatt sie lediglich als passive Endpunkte zu behandeln. Letztlich habe ich nach Projekten gesucht, die Kreativität mit strategischem Denken verbinden und ein echtes Interesse daran zeigen, Publikum auch jenseits der üblichen Kreise einzubeziehen.
Mit welchen Strategien könnte die Schweizer Filmbranche ihre Audience-Development-Bemühungen stärken?
Wenn es darum geht, Audience Development im Allgemeinen zu stärken, ist es zentral einen Perspektivenwechsel zu wagen. Anstatt zu fragen, warum sich das Publikum für einen Film entscheiden SOLLTE (aus der eigenen Perspektive und Annahmen heraus), sollten wir fragen, warum es sich entscheiden KÖNNTE (aus Publikumssicht und auf Basis von Analysen). Diese Fragestellung eröffnet neue strategische Denkansätze und kann dabei helfen, den Film im Kontext konkurrierender kultureller Ereignisse und dem Alltagsleben zu positionieren.
Beim Audience Development muss man auch die Kernbotschaft des Films sowie das kreative Denken und die Absichten dahinter verstehen. Wenn man dem Film mit einem tieferen Interesse begegnet und eine Strategie entwickelt, die über Genre und Namen hinausgeht, ist man besser in der Lage, das Gesprächspotenzial eines Films zu erkennen, seine emotionale oder intellektuelle Wirkung einzuschätzen und den Perspektivenwechsel kreativer zu vollziehen.
Es geht es nicht nur darum, das Publikum zu gewinnen, sondern auch darum, Beziehungen aufzubauen, Relevanz hervorzuheben und den Impact zu verstärken. Das bedeutet unter anderem, in Publikumsforschung zu investieren, das Verhalten des Publikums sowie die kommerziellen und kulturellen Marktdynamiken zu verstehen – und Partnerschaften aufzubauen, die glaubwürdig sind und mit den Werten und der Intention des Films in Einklang sind.
Publikumsentwicklung erfordert eine frühzeitige Fokussierung, langfristiges Denken und die Bereitschaft, zu experimentieren, zuzuhören und sich anzupassen. Sie profitiert von Kollaborationen zwischen Verleih, Produktion und Kreativschaffenden sowie mit Kinos, Kulturinstitutionen und Communities – und erfordert die Bereitschaft, zu etwas zu investieren und aus verschiedenen Strategien zu lernen. Grosses Potenzial liegt darin, Erkenntnisse und Erfahrungen über Regionen und Sprachgrenzen hinweg auszutauschen und eine engere Zusammenarbeit mit Kinobesitzer:innen zu fördern, insbesondere man sich über die Herausforderungen des Marktes austauscht. Solche Kooperationen sind für mich zwingend und sehr wertvoll.
Was verstehen Sie unter einer innovativen Marketingstrategie?
Ich verstehe unter Innovation, etwas neu zu denken. Entweder radikal oder durch eine schrittweise Veränderung des strukturellen Ansatzes mit neuen, relevanten Ideen. Bei einer innovativen Marketingstrategie geht es nicht nur darum, etwas Neues zu tun, sondern dies auf sinnvolle und bewusste Weise zu tun, Annahmen in Frage zu stellen, aufmerksam zuzuhören und Ideen, Publikum und Filme auf unerwartete Weise zu verbinden. Es braucht eine massgeschneiderte Strategie, die aus den richtigen Fragen entsteht.
Es geht nicht nur darum, zu fragen, wie man einen Film bewirbt, sondern auch darum, wie man den Bereich Vertrieb und Marketing in eine zukunftsfähige Richtung lenkt und das, was man tut, für das Publikum relevant macht. Das Marketing steht in einer Medienlandschaft, in der die Aufmerksamkeit zersplittert und der Markt mit Inhalten überflutet ist, unter Druck. Vertrauen, Engagement und Authentizität sind die neue Währung. Für mich ist eine Marketingstrategie innovativ, wenn sie mutig genug ist, alte Gewohnheiten zu hinterfragen, zu experimentieren und an dabei das Publikumspotential stärker in die gesamte Marketingstrategie zu integrieren.