Talking to … Gregor Brändli
Der Fotograf und Filmemacher zur Entstehung seines Dokumentarfilms ELEPHANT & SQUIRRELS
23.10.2025
Gregor Brändli widmet sich in seinem ersten langen Film der Frage nach der Restitution von Artefakten aus Schweizer Museen. Der Film feiert seine Weltpremiere am DOK Leipzig und läuft kurz darauf auch am Internationalen Dokumentarfilmfestival von Amsterdam.
Wie bist du auf die Idee für den Dokumentarfilm gekommen?
Es mag klischiert klingen, aber der Film und das Thema sind auf mich zugekommen. Ich hörte 2020 zufällig ein Radiointerview mit Bernhard Schär, einem Schweizer Historiker, der über die Basler Familie Sarasins forschte. Über ihn ist der Kontakt zur Künstlerin Deneth Piumakshi Veda Arachchige zustande gekommen. Deneth hat mir von ihrer Recherche-Arbeit über die Sarasins erzählt. Sie ist einer Forschungsreise der Sarasins 136 Jahre später nachgereist.
Für mich war klar, dass sich eine einmalige Chance bietet, Deneths Recherche, mein Netzwerk in Basel sowie gemeinsam geknüpfte Kontakte in Sri Lanka mit Personen der indigenen Gruppe der Wanniyala-Aetto zusammenzubringen und gemeinsam ein filmisches Projekt zu initiieren. Durch diesen Umstand konnten wir eine historische Geschichte aus verschiedenen Positionen heraus angehen.
Welcher Moment beim Drehen hat dich am meisten beeindruckt?
Es gab viele beeindruckende Momente. Vor allem aber war die Zusammenarbeit mit Deneth Piumakshi Veda Arachchige unglaublich bereichernd. Gemeinsam ist es uns gelungen, aus einem Puzzle aus 140 Jahren Geschichte eine schlüssige Erzählung zu flechten, ohne dabei die Welt zu erklären.
War der Dokumentarfilm für dich Liebe auf den ersten Blick?
Für mich war über lange Zeit unklar, ob ich diesen Film überhaupt machen kann. Ich fühlte mich in diesem Thema völlig fehl am Platz. Erst als wir eine Einladung aus Sri Lanka von der indigenen Adivasi-Gemeinschaft der Wanniyala-Aetto erhielten, eröffnete sich für mich die Möglichkeit, diesen Film zu realisieren. Zudem wurde mir im Verlauf meiner eigenen Recherche bewusst, dass wir mit über 4000 menschlichen Überresten aus kolonialem Kontext in Schweizer Museen durchaus eine Mitverantwortung tragen, dieses Thema nicht noch weitere hundert Jahre zu verdrängen. Zudem ist Film, auch abseits vom dokumentarischen ein gutes Mittel, um Lücken in den Archiven sichtbar zu machen.
Du hast bisher zahlreiche Werbefilme realisiert. Wie schwierig war der Spagat zwischen den beiden Welten Dok und Werbung?
Ich habe mich im Bereich Werbung mehr schlecht als recht versucht – nicht, weil es die Erfüllung meiner Träume war, sondern weil ich als gelernter Fotograf zunächst keinen Anschluss an die Kulturszene hatte. Ich sah mich lange vor allem als Handwerker und Techniker. In den letzten zehn Jahren konnte ich mir dann Schritt für Schritt einen Weg in Richtung eigener Projekte und Visionen erarbeiten.
Wie verliefen die Recherchen und die Zusammenarbeit mit den Museen?
Die Recherche ist bei all den Archivalien, die in den Museen liegen, wohl vor allem eine Frage des Zeitaufwands. Viele Personen haben mir dabei geholfen, und durch Deneth kam eine riesige Menge an Informationen in dieses Projekt. Schwieriger war es, an aktuelle Entwicklungen in den Museen heranzukommen.
Die Museen müssen erst noch einen eigenen Umgang mit diesem Teil der Geschichte finden – und sie sind es nicht gewohnt, dabei gefilmt zu werden. Die Zone zwischen öffentlichem Interesse und der Freiheit der Kunst war unser Mittel, uns einen Weg durch diese manchmal etwas zähen Räume von Möglichkeiten zu bahnen. Ich würde mich sehr freuen, wenn der Film zu einem späteren Zeitpunkt in den Museen gezeigt würde.
Konntest du mit den Nachkommen von Paul und Fritz Sarasin ins Gespräch kommen?
Ich habe tatsächlich mit Personen aus der Familie Sarasin gesprochen. Die Familie ist jedoch gross, und nicht alle wollten vor die Kamera treten. Der Film beschäftigt sich zwar zentral, aber gleichzeitig auch relativ kurz mit den Sarasins. Wichtiger war uns, herauszufinden, ob es eine Verbindung zwischen der historischen Geschichte von Paul und Fritz Sarasin und heute lebenden Personen in Sri Lanka gibt.
Hast du schon eine neue Idee für den nächsten Fiction- oder Dokumentarfilm?
Es gibt viele Themen, die mich interessieren – am liebsten würde ich gleich drei weitere Projekte gleichzeitig angehen. Meine vorherigen Projekte waren immer Hybride zwischen, Film, Musik und Theater; da möchte ich gerne noch weiter experimentieren. Inhaltlich nehme ich sehr viel mit aus ELEPHANTS & SQUIRRELS. Ich werde jedoch die Dinge vorerst etwas auf mich zukommen zu lassen.