Talking to … Mélodie Mousset
Die Multimedia-Künstlerin über Empathie und Immersion
25.08.2025
Mélodie Mousset ist eine preisgekrönte Mixed-Media-Künstlerin. 2015 wurde sie für ihre erste VR-Installation „We Were Looking for Ourselves in Each Other” mit dem Swiss Art Award ausgezeichnet. Ihre KI-gesteuerte VR-Installation EMPATHY CREATURES wird im Rahmen der Venice Immersive Competition an der Biennale Cinema präsentiert. Mélodie Mousset ist Mitbegründerin und CEO von Patch XR, einer kollaborativen Plattform zur Kreation interaktiver, musikgesteuerter Erlebnisse für XR.
Worum geht es bei EMPATHY CREATURES?
EMPATHY CREATURES handelt von kollektiver Verantwortung und Fürsorge. Die immersive Installation kombiniert VR und Echtzeit-Simulation. Im Mittelpunkt steht ein KI-gesteuerter virtueller Vogel, der auf das emotionale Klima seiner Umgebung reagiert. Der Vogel spiegelt, wie wir für uns selbst und füreinander sorgen – oder eben nicht. Die Teilnehmenden können mit ihm in einer szenografischen Umgebung interagieren, die sowohl Burnout als auch emotionale Resilienz widerspiegelt. Ich beschreibe es gerne als eine Art kollektives Tamagotchi.
In einer kollektiven Erfahrung können wir diesen kleinen Vogel im magischen Garten eines brutalistischen Bürogebäudes beobachten. Indem wir sein stressiges Alltagsleben sehen, fühlen wir uns gemeinsam für seine Wohlergehen verantwortlich. In einer intimen VR-Erfahrung können wir durch Rituale, bei denen wir uns entspannen und erden, eins zu eins mit dem Vogel interagieren. EMPATHY CREATURES ist eine soziale Erfahrung von Empathie. Wir sind nicht allein; wir arbeiten alle zusammen, um ein Gleichgewicht zwischen Individuum und Gesellschaft herzustellen.
Wie bist du auf dieses Thema aufmerksam geworden?
Ich habe dieses Projekt während meiner Künstlerresidenz im «Mobiliar Lab for Analytics» in der Schweiz entwickelt. Inspiriert wurde ich durch deren Forschung zu digitalem Stress am Arbeitsplatz und wie neue Technologien wie KI und VR dazu beitragen können, dieses gesellschaftliche Problem anzugehen.
Ich stellte mir ein virtuelles Wesen vor, das so empfindlich auf unseren kollektiven Stress reagiert, dass es wie ein lebender Sensor wirkt – ein Spiegel der emotionalen Erschöpfung unserer Gesellschaft. Das Aussehen und Verhalten des Vogels entwickelt sich je nach seinem emotionalen Zustand, und die VR-Erfahrung ermöglicht uns, dasselbe zu tun. Der Vogel ist seither sogar zum Maskottchen der Forschenden des Labors geworden.
Was fasziniert Dich an der Arbeit mit XR?
Für mich ist dieses Medium fast wie die Arbeit mit menschlichem Material: mit Wahrnehmung, Emotionen, dem Gehirn und der Auffassung davon, was real ist und was nicht. Ich war schon immer fasziniert von dem Grenzbereich zwischen Wissenschaft und magischem Glauben.
Die virtuelle Realität mit ihrem performativen/transformativen Aspekt ist dafür ein fantastisches Format. Mit VR, so wie ich sie nutze, zeige ich keine endgültige Fassung von etwas. Was ich an der immersiven Erfahrung mag, ist, dass man nie weiss, was passiert, fast wie beim Anschauen einer Dokumentation. Ich setze Parameter, definiere neue Grenzen und lasse die anderen die Erfahrung machen. Ich beschreibe mich gerne als «digitale Hexe», die mit mitfühlender Magie arbeitet.
Wie ist es, als VR-Künstler in der Schweiz zu arbeiten?
Es gibt wirklich beeindruckende Projekte aus der Schweiz, aber für Kreativschaffende im Bereich Immersion stehen nach wie vor vor vielen Herausforderungen. Es gibt Bemühungen, ihnen mehr Sichtbarkeit und Unterstützung zu ermöglichen, beispielsweise durch das GIFF, den «Pôle de création numérique», Virtual Switzerland und den XR-Support von SWISS FILMS. Aber immersive Medien sind schwer zu definieren und verursachen oft hohe Produktionskosten. Als Hybrid zwischen Narration, Performance, Kunst und Gaming ist es für Institutionen deshalb schwierig, sie zu fördern.
Ich bin dankbar, dass mein Projekt Unterstützung erhalten hat, aber es war nicht einfach. Venedig bietet eine tolle Gelegenheit, Schweizer Projekte international ins Rampenlicht zu stellen!
EMPATHY CREATURES wurde von der Kunstsammlung der Mobiliar mit Unterstützung des Pôle de création numérique produziert.
Die Präsentation in Venedig wurde unterstützt von SWISS FILMS, dem Istituto Svizzero in Rom, der Gemeinde Le Chenit, Pro Helvetia sowie den Kantonen Waadt und Zürich.