Beyond the Screen

Nicola Perot über das Schauspielen und sieben Asse

Der vielsprachige Nicola Perot hat früh auf die internationale Karte gesetzt. Seine letzten Rollen spielte er in finnischen und französischen Filmen. Ein Gespräch über die Lotterie Schauspielen, seine Faszination für Sprachen und seine Serien-Rollen.  

Dein Debut im skandinavischen Film hast du mit den beiden Filmen Earth Song und Minä sanoin, sinä sanoit gegeben. Wie fühlt es sich an auf Finnisch zu spielen?

Einerseits befriedigend, die neu erlernte Sprache schon so weit zu beherrschen, dass ein Spiel vor der Kamera ohne Einschränkung möglich ist, andererseits herausfordernd, denn speziell bei einer solch komplexen Sprache wie dem Finnischen geht es nicht ohne exzellente Vorbereitung.  

Haben das Schweizerdeutsche und das Finnische etwas gemeinsam?

Bis auf den Fakt, dass es von wenigen Menschen auf der Welt gesprochen wird, gibt es sprachlich keine Gemeinsamkeiten. Parallelen gibt es beim Wunsch durch Filme und Serien die kulturelle und sprachliche Identität zu stärken und zu bewahren.

Wie ist deine Karriere vom nationalen aufs internationale Parkett verlaufen? War es schwierig, einen Fuss in die Tür zu kriegen?

Ich habe früh gemerkt, dass der Schweizer Markt für mein schweizerisch-italienisches Profil zu klein ist und habe deswegen auf die internationale Karte gesetzt. Ausbildung in London, Umzug nach Paris und sieben Sprachen als Asse im Ärmel. Natürlich hatte keiner auf mich gewartet. Allerdings wirkte das auch befreiend und war eher Ansporn, in der Masse anderer Schauspieler meinen eigenen Weg zu finden. 

Wie ist es als Schauspieler in Helsinki zu arbeiten und zu leben?

Exotisch! Es gibt wenig ausländische Schauspieler und noch weniger, welche Finnisch sprechen. Die Filmindustrie ist klein, aber fein und weit mehr als nur eine «Kaurismäki Fabrik». Allerdings bleibt der finnische Markt für mich momentan eher eine Nische, die Gründe u.a. in Helsinki zu leben sind privater Natur.

Hat sich das Vorsprechen und Casting mehr in den digitalen Raum verschoben?

Absolut! Eine Entwicklung, die ich nicht nur aus ökologischer Sicht begrüsse. Ich muss nicht mehr für jedes Erstrunden-Casting stundenlang reisen, um einen ersten Eindruck zu vermitteln, sondern kann den Regisseur:innen per Video eine Interpretation der Figur anbieten, anhand derer sie verstehen können, ob eine mögliche Zusammenarbeit überhaupt in Frage kommt. Die «echten» Begegnungen mit Regisseur:innen und Caster:innen finden nach wie vor statt und fallen meist gehaltvoller aus, da schon ein gemeinsames Grundinteresse vorhanden ist.

Du hast in der Schweizer Serie «En eau salée» mitgespielt, produziert von Britta Rindelaub für RTS. Was sind deine bleibenden Eindrücke?

In einem ohrenbetäubenden Lärm des Maschinenraums eines fahrenden Containerschiffs Teil eines Dramas auf hoher See zu sein. Wo wunderbare Schauspieler:innen und ein exzellenter Regisseur, vermischt mit der echten Schiffscrew, den engen Platzverhältnissen und dem launenhaften baskischen Wetter trotzten, um eine verschachtelte und komplexe Geschichte zu erzählen. Momente, die mir vor Augen führten, welches Privileg ich habe, den schönsten Beruf der Welt auszuüben.

Was reizt dich an Serien? «En eau salée» ist bereits deine siebte.

In einer Serie bietet sich mir als Schauspieler oftmals mehr Raum, um meine Figuren zu entfalten. Mir gefällt die Vorstellung, dass die Zuschauer über mehrere Episoden und Staffeln die Figur begleiten und lieben oder hassen lernen. Dabei ist oft zweitrangig, ob es sich um eine Haupt- oder Nebenfigur handelt. Ausserdem weiss ich selbst als Schauspieler am Anfang einer Serie nicht, wohin der Weg führen wird. Diese Ungewissheit reizt mich. Ich strebe jedoch ein Gleichgewicht zwischen Kino und Serienarbeit an, da ich auf keine der beiden Kunstformen verzichten möchte.

Ist es als Schweizer Schauspieler einfacher auf dem ausländischen als inländischen Markt?

Es ist schwierig einen Vergleich anzustellen. Um eine Rolle zu bekommen, sind in der Schweiz die Wege kürzer, das Angebot jedoch überschaubarer. Im Ausland brauchte ich länger, um mein Netzwerk aufzubauen, profitiere dafür von mehr Castings. Während des Drehs unterscheidet sich die Arbeit nicht so sehr, wenn man sich an die kulturellen Eigenheiten des jeweiligen Landes gewöhnt hat.

Mit welchen Agenturen arbeitest du zusammen?

Zurzeit arbeite ich mit meinem deutschen Agenten Georg Georgi (Das Imperium) zusammen.

Mit welchen Produzent:innen würdest du gerne mal zusammenspielen?

Ich bin ein grosser Fan von Alice Rohrwachers Filmen, welche u.a. von Carlo Cresta-Dina produziert werden. Als ich ATLAS von Niccolò Castelli gedreht habe, war er der italienische Koproduzent. Ich mag seinen Filmgeschmack sehr und würde mich freuen, irgendwann in meiner Muttersprache Italienisch mit ihm als Hauptproduzenten zusammenarbeiten zu dürfen.

Wie bist du überhaupt zum Schauspiel gekommen?

Im Nachbarsdorf gab es ein Jugendtheater, welches von Tomas Wullschleger geleitet wurde. Ein Künstler und exzellenter Musiker, der den suchenden Jugendlichen in mir durch seine Theatervisionen anspornte, Grenzen zu verschieben und dem spielwütigen Kind in mir eine sichere Bühne zum Austoben anbot. Diese Zusammenarbeit bildete den Grundstein meiner künstlerischen Tätigkeit. Danach hat sich mir früh die Möglichkeit ergeben in zwei Kinofilmen mitzuwirken (TUTTI GIÙ, BOYS ARE US). Diese beiden Erfahrungen haben in mir den Berufswunsch Schauspieler endgültig manifestiert.

Du spielst in französischen, finnischen, italienischen und deutschen Filmen mit. Wie findest du den richtigen Akzent? Ist eine Schweizer Note sogar gewünscht?

Das hängt stark von den Rollen und Projekten ab. Manchmal kann ich auf mein Sprach- und Akzentrepertoire zurückgreifen und teilweise muss ich Neues erlernen. Bei grossen internationalen Serien werde ich meist von Accent Coaches begleitet, welche auch zwischen den Takes an den letzten Silben schleifen. Leider hatte ich bisher kein Projekt, bei dem eine Schweizer Note explizit gewünscht wurde. Vielleicht ist der Schweizer Akzent in anderen Sprachen (mit Ausnahmen des Deutschen) noch zu wenig bekannt.

Welche Projekte stehen in naher Zukunft an?

Bei grösseren Rollen noch vieles offen. Die momentane Krise in der (ausländischen) Filmindustrie erfordert Geduld. Projekte, in denen ich involviert bin, warten auf Green Lights und Finanzierung. Hoffentlich erholt sich die Industrie bevor Schauspieler:innen von der KI abgelöst werden!

Newsletter