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Regisseur Tim Fehlbaum über seinen Oscar-Anwärter SEPTEMBER 5 und Filmfestivals als Startrampe
16.01.2025
Mit seinem neuesten Film SEPTEMBER 5 feiert der Schweizer Filmemacher Tim Fehlbaum internationale Erfolge. Der Medienthriller hatte letztes Jahr am Filmfestival Venedig Premiere, erhielt eine Golden Globe Nomination und wird als Oscar-Kandidat für Best Picture gehandelt. Der Film ist seit letzter Woche in der Schweiz und Deutschland im Kino zu sehen und läuft bald an den Solothurner Filmtagen.
Was hat dich dazu bewegt, Filmemacher zu werden?
Ich hege diesen Wunsch schon sehr lange, etwas anderes kam für mich nie in Frage. Bereits in meiner Kindheit habe ich während der Schulferien mit Plastilin Stop-Motion Filme gedreht.
Welche Regisseure haben dich inspiriert?
Ausschlaggebend war für mich das Interview-Buch «Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?» von François Truffaut, das ich bereits in meiner Jugend verschlungen und die Filme dazu geguckt habe.
Wie ist die Idee zu deinem neuesten Spielfilm «SEPTEMBER 5» in Zusammenarbeit mit Ko-Autor Moritz Binder entstanden?
Vor mittlerweile über 4 Jahren haben wir angefangen an diesem Stoff zu arbeiten. Zuerst hatten wir eine umfangreiche generelle Recherche zu den Ereignissen in München geführt. Die Initialzündung zur Idee, die Geschichte aus der Perspektive der Medien zu erzählen, war schliesslich ein Recherche-Gespräch mit dem Augenzeugen Geoffrey Mason – gespielt von John Magaro. Er hatte als damals 28-Jähriger hautnah im TV-Kontrollraum miterlebt, wie sie als Team von Sport-Berichterstattern den Wechsel zur Krisen-Berichterstattung vollziehen mussten. Seine Erinnerungen an diesen 22-stündigen Marathon der Live-Berichterstattung waren so spannend zu hören, dass wir beschlossen, den Film ausschliesslich aus dieser Perspektive zu erzählen. Das Thema des Einflusses der medialen Berichterstattung auf weltpolitische Ereignisse schien uns gerade aus heutiger Sicht besonders relevant.
Gab es Schlüsselmomente an Festivals oder durch Auszeichnungen für deine früheren Werke? Inwiefern hat ein Rädchen ins andere gegriffen, bis du mit «SEPTEMBER 5» eine Golden Globe Nominierung erhalten hast?
Tatsächlich waren immer Filmfestivals ausschlaggebend: Mein Debut HELL beim Filmfest in München, auf der Piazza in Locarno und an den Solothurner Filmtagen zu zeigen, waren sicher Schlüsselmomente. Oder auch SEPTEMBER 5 letzten Sommer in Venedig und Telluride zu präsentieren, war wichtig. Festivals sind eine wunderbare Plattform, um Aufmerksamkeit für einen Film zu generieren.
Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit bei einer Grossproduktion wie deinem aktuellsten Film mit jener von Independent-Produktionen wie deinen früheren Filmen «TIDES» und «HELL»?
Wir haben SEPTEMBER 5 ja in München gedreht, in den Bavaria Filmstudios. Insofern waren die Unterschiede nicht so gross, ausser dass ich diesmal mit einem fast ausschliesslich englischsprachigem Cast gedreht habe. Das war sprachlich sicherlich eine grössere Herausforderung. Zum Glück hatte ich hinter der Kamera grösstenteils mein vertrautes Team, mit dem ich auch meine beiden bisherigen Filme gemacht habe. Das hat mir einen guten Rückhalt gegeben.
Inwieweit verfolgst Du als Basler das Filmgeschehen in der Schweiz?
Ich verfolge das mit grossem Interesse und Begeisterung, da sich der Schweizer Film gerade in eine sehr aufregende Richtung entwickelt. DRII WINTER von Michael Koch ist für mich einer der bewegendsten Spielfilme, der letzten Jahren. Kürzlich habe ich den Kurzfilm EDGE OF SPACE des Basler Filmemachers Jean de Meuron gesehen, der es auf die Shortlist für einen Oscar als Live Action Short Film geschafft hat und mich komplett von den Socken gehauen hat. Auch im Bereich der Serien tut sich viel.
Kannst du dir auch vorstellen, bei einer Serie Regie zu führen?
Während ich selber sehr gerne Serien schaue, ist mein Ziel für das nächste Projekt wieder ein Kinofilm. Für mich ist das Kino immer noch der magischste Ort, um einen Film zu erleben. Aber man weiss nie.
Wirst Du als Schweizer Filmemacher wahrgenommen oder spielt die Schweiz in deinem Arbeitsalltag gar keine Rolle?
Ich sehe mich durch und durch als Schweizer Filmemacher. Meine beiden ersten Filme waren ja auch Schweizer Koproduktionen. Ich hatte das Glück, die grossartige Ruth Waldburger als Produzentin mit an Bord gehabt zu haben. Ausserdem lebe ich in der Schweiz und entwickle meine Projekte von hier aus.
Gibt es für dich Charakteristika, die das Schweizer Filmschaffen ausmachen?
Das finde ich schwer zu definieren. Die Grenzen werden immer fliessender, auch zwischen dem europäischen und amerikanischen Kino. Was zählt ist die Geschichte und die Vision, mehr als das Produktionsland der Filme.
Momentan ist «SEPTEMBER 5» in aller Munde, aber an welchen neuen Stoffen arbeitest Du?
Ich lese viele Drehbücher und arbeite zeitgleich an eigenen Ideen, aber tatsächlich absorbiert mich die PR-Tour mit meinem neuen Film mehr als ich es mir hätte vorstellen können. Was natürlich schön ist. Aber ich freue mich darauf auch wieder etwas Neues anzugehen.