Beyond the Screen
Laura Morales über Authentizität und das richtige Gespür als Director of Photography
09.12.2024
Dank der Teilnahme am «Meet your Inspiration» FOCAL-Programmes hat Laura Morales mit Grössen wie dem holländisch-schwedischen Kameraman Hoyte Van Hoytema zusammengearbeitet. Zeit, um über ihre Ziele und die Faszination mit der Kamera das "Richtige" einzufangen zu reden.
Wie bist Du zum Film gekommen?
Seit meiner Kindheit hatte ich schon immer den Wunsch, mich durch Bilder auszudrücken. Zuerst mit dem Zeichnen, dann mit der Fotografie und schliesslich mit dem Film. Ich bin dann von der Fotografie zum Film gewechselt, weil ich lieber im Team arbeite. Das war zunächst eine naive Entscheidung, denn ich wusste nicht viel über den Film, geschweige denn über die Filmgeschichte. Schnell verschaffte ich mir einen Zugang, um Geschichten zu erzählen und mich selbst zu beweisen. Ich machte die Dinge ein wenig umgekehrt: Ich begann, Filme zu machen - zunächst als Regisseurin - bevor ich sie mir ansah. Ich ließ mich mehr von der Malerei und der Fotografie inspirieren – ein bisschen autodidaktisch a là «Art Brut». Seitdem konnte ich mir vor allem dank der Filmhochschulen (HEAD und ZHDK) einen besseren Überblick über die Filmgeschichte verschaffen und herausfinden, was mir gefällt.
Hast Du Vorbilder, die dich ermutigt haben, diesen Weg zu gehen?
Mich inspiriert vor allem mein Umfeld – Menschen, die mich dazu bringen, über mich hinauszuwachsen. Ich wurde von meinem privaten Umfeld, aber auch von Lehrkräften, die zu Beginn meiner Ausbildung an mich geglaubt haben, sehr ermutigt. Zu den Vorbildern, deren Karriere ich bewundere, gehören: Claire Mathon, Agnès Godard, Christopher Doyle, Darius Khondji, Raoul Coutard oder Robbie Müller, um nur einige zu nennen.
Machst Du bestimmte Dinge heute anders als zu Beginn deiner Karriere?
Ich sehe mich immer noch am Anfang meiner Karriere und denke (hoffe ich!), dass meine Antwort in zehn Jahren eine andere ist. Heute kann ich besser einschätzen, ob ein Projekt mit den verfügbaren Mitteln für mich realistisch ist oder eher zu ambitioniert gesteckt wurde. Ich habe auch eine bessere Vorstellung von technischen, logistischen und materiellen Einschränkungen, wodurch ein mir vorgeschlagenes Filmprojekt realistischer zu planen ist. Generell versuche ich, mehr Zeit in die Vorbereitung, die technischen Tests und die Entwicklung des Kamerakonzepts zu investieren, damit ich beim Dreh besser vorbereitet bin und so wenig wie möglich dem Zufall überlassen muss – auch wenn der Zufall im Dokumentarfilm oft das A und O ist.
Welchen Rat würden Sie DOPs mitgeben, die am Anfang ihrer Karriere stehen?
Vielleicht keine Angst davor zu haben, Fehler zu machen, denn das ist der beste Weg zu lernen. Insbesondere möchte ich Frauen einen Rat geben, die in diesen Bereich einsteigen möchten: Es ist manchmal schwierig, sich in einer Welt zurechtzufinden, die noch sehr männerdominiert ist, und man muss viel an sich selbst arbeiten, um das Selbstvertrauen zu finden, sich als Chefoperateurin zu verkaufen und seine Arbeit zu verteidigen. Vernachlässigt nicht das Netzwerken! Bleibt euch selbst treu und neugierig.
Was möchtest du mit deiner Kamera einfangen?
Ich war schon immer auf der Suche danach, das Unsichtbare zu filmen! Im Ernst, ich habe eine lange Liste von Dingen, die ich gerne einfangen würde, und sie wird im Laufe der Zeit immer länger. Bei Dokumentarfilmen gefällt mir besonders die Idee, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um eine einfache Szene aus dem Leben einzufangen, die jedoch durch einen Lichteinfall, eine Bewegung, einen Blick oder eine unvorhergesehene Choreographie vollkommen wird. Ich bin von Natur aus sehr neugierig und abenteuerlustig; ich liebe das Reisen sehr, weil es einen neuen und manchmal unschuldigen Blick auf die Dinge hervorbringt. Meine Dreharbeiten im Ausland haben mich sehr inspiriert, vor allem im Dschungel des Amazonas, auf Borneo oder in den Bergen Madagaskars. Heute hinterfrage ich diese Beziehung zum Reisen und zum Dokumentarfilm in einem ökologischen Kontext, der lange Flugreisen nicht gerade begünstigt. Ich versuche daher, so viel wie möglich vor Ort zu staunen und meinen CO2-Fussabdruck zu reduzieren. Als Spielfilm hätte ich davon geträumt, die Tanzszene aus MAUVAIS SANG von Leos Carax (1986) zu drehen, in der Denis Lavant mitten in der Nacht auf einer Pariser Strasse zu Modern Love von David Bowie tanzt, während die Kamera fast zwei Minuten lang eine seitliche Kamerafahrt durchführt. Das ist meiner Meinung nach die Essenz eines erfolgreichen Rezepts: Schauspielerei, Bewegung, Musik, Anmut und Poesie.
Du hast Projekte als Regisseurin und Kamerafrau realisiert. Musstest Du die Regie aufgeben, um als DOP erfolgreich zu sein? Oder hast Du weiter Regieprojekte in der Planung?
Ich führe sehr gerne Regie bei Dokumentarfilmen. Aber am meisten gefällt es mir, hinter der Kamera zu stehen und mit Bildern zu erzählen. Da das Filmemachen ein sehr langer Prozess ist und ich keine Filme vorschnell «schreiben» möchte, stelle ich gerne mein Auge in den Dienst von Regisseuren, die oft tolle Filmprojekte haben, an die ich nie gedacht hätte oder nicht das Talent hätte, sie zu schreiben. Mir gefällt zudem die Idee, dass ich als Kamerafrau ein sehr genau definiertes Pflichtenheft habe und meine Kreativität innerhalb dieses Rahmens ausleben kann. Für mich ist das ganz konkret eine Möglichkeit, meinen Lebensunterhalt zu verdienen, ohne von der Finanzierung meiner eigenen Filme abhängig zu sein. Ich schreibe weiterhin an eigenen Projekten, aber noch ist nichts produktionsreif.
Du hast am Cinematographer Workshop - Terre di Cinema - teilgenommen. Worum ging es dabei?
Ich bin sehr froh, dass ich an diesem Workshop in Sizilien teilnehmen konnte, bei dem ich mehr über das Drehen mit Super-35mm-Film gelernt habe, insbesondere über die Bedienung, das Einlegen und den Umgang mit der Arriflex 235. Die analoge Ästhetik ist etwas, das ich besonders liebe, und zwar seit meinen Anfängen in der Fotografie. Die Textur, die Körnung, die Farben und die emotionale Beziehung, die ich dazu habe, bringt mich dazu, mit diesem Medium arbeiten zu wollen. Es gibt diese Magie im analogen Drehprozess, den man digital nur schwer nachahmen kann: die Rushs erst nach der Rückkehr aus dem Labor anschauen zu können, die Konzentration, welche am Set hervorruft, und die technische Präzision, die in allen Aspekten des Drehs gefordert wird. Das finde ich sehr aufregend.
Mit wem träumst du davon, einmal zu arbeiten?
In meinen kühnsten Träumen mit Regisseur:innen wie Jonathan Glatzer, Leos Carax, Richard Linklater, Jia Zhangke, Jim Jarmusch, Céline Sciamma, Alain Guiraudie. Aber natürlich auch mit Schweizer Filmemacher:innen, wie z.B. Pauline Julier, Ursula Meier oder Elie Grappe.
An welchen Projekten arbeitest Du derzeit?
Wir beginnen gerade mit der Postproduktion eines etwa einstündigen Dokumentarfilms (RTS, Idip Films) mit der Regisseurin Elena Avdija. Es handelt sich um einen Film über den Verlust von Schwangerschaften im ersten Trimester. Ein Thema, das ich für wichtig halte. Ich freue mich darauf, dass die Öffentlichkeit diesen Film mit vielen Erfahrungsberichten entdecken kann. Und weitere Projekte, die sich für 2025 in der Entwicklung befinden, sind unter anderem ein fiktionaler Kurzfilm mit der Regisseurin Justine Fabre und ein abendfüllender Dokumentarfilm von Christine Gonzalez und Aurèle Cuttat (Rita Productions). Ansonsten gibt es noch die neue Staffel der Doku-Serie Futura (Akka, Dschoint Ventschr, Cinedokke, RTS).