Beyond the Screen
Gina Keller über Storytelling mit Ton
13.05.2024
Sounddesignerin Gina Keller beschreibt ihre Faszination zum Ton und spricht über ihre neuesten Arbeiten wie für Jacqueline Zünds neuen Film DON’T LET THE SUN (CATCH YOU CRYING). Dieser wird zurzeit im Marché du Film in Cannes präsentiert.
Wie bist du zum Sound-Design gekommen?
Als Kind habe ich früh mit dem Klavierspiel begonnen und konnte dabei in meine eigene Welt abtauchen. Später habe ich meine Faszination für den Klang entdeckt. Ich habe den Tonmeisterstudiengang für klassische Musik an der ZHdK absolviert, konnte eigene Projekte realisieren und mit verschiedenen Aufnahmevarianten und Mischungstechniken experimentieren. Im Master kam ich zum ersten Mal in Berührung mit Filmton.
Und was macht den Filmton besonders?
Es fasziniert mich, mit Sound Geschichten zu erzählen und sie zum Leben zu erwecken. Sound Design ist essentieller Teil des Storytellings und geht weit über das Erzeugen eines guten Klangs hinaus. Dabei gemeinsam im Team auf ein übergeordnetes Ziel hin zu arbeiten, ist für mich das Grösste.
Du warst für den Schweizer Filmpreis mit «BERGFAHRT» von Dominique Margot nominiert für Besten Ton. Was hat dir hier besonders gefallen?
Dieses Projekt war speziell, da einerseits die Klangwelt der Berge aktiv thematisiert wird und andererseits der Film eine ganz eigene Erzählweise hat. Es gibt viele schöne Momente, bei denen sich die Atmosphäre der Bergwelt im Ton manifestiert und entfalten kann. Daran zu arbeiten machte mir grosse Freude.
Versuchst du überall Töne einzufangen?
Ein kleines Aufnahmegerät habe ich (fast) immer mit dabei.
Würdest du all deine Filme an Dialogausschnitten wieder erkennen?
Ja, das würde ich behaupten. Einzelne Phrasen kommen mir teils noch Monate später wieder in den Sinn, wie bei einem Lied, das einem nachläuft.
Wie erlebst du als Sounddesignerin Vorführungen im Kinosaal, hast du die Augen geschlossen?
Nein. Die visuelle Ebene ist schon nicht ganz unwichtig, neben dem Ton (schmunzelnd) Fifty – Fifty sagt man, oder? Ich fokussiere mich allerdings schon sehr auf den Ton, wenn ich ins Kino gehe. Ich kann das nicht wirklich ausblenden. Das gilt übrigens auch für Situationen, wenn ich nicht im Kino bin - was nicht immer nur von Vorteil ist. Aber dafür kann alles, was mich umgibt, eine Inspirationsquelle sein. Der Trick ist nur, auch zwischendurch Abschalten zu können.
Ist die Soundszene international vernetzt oder ist das eine «Schweizer Bubble»?
Bei standortgeförderten Schweizer Projekten kommt das Tonpostproduktions-Team meist aus der Schweiz. Bei Koproduktionen mit anderen Ländern kann es gemischt sein. Bei nicht in der Schweiz geförderten Projekten sind die Teams nicht selten über mehrere Kontinente verteilt. Die Sound Community ist international stark vernetzt und viele Leute teilen ihre Leidenschaft und Erfahrung gerne mit anderen. Diesen Austausch schätze ich sehr.
Auf welche Filmprojekte hättest du besonders Lust?
Auf Filmprojekte mit einem starken Team, bei dem der Ton von Anfang an Teil der Geschichte ist und man als Sounddesignerin früh mit einbezogen wird. Am Schönsten ist es, wenn die Filmemacher die Möglichkeiten der Tonspur als essenzielles Gestaltungselement erkennen und eine Offenheit und Neugier mitbringen und man so gemeinsam Ideen entwickeln und experimentieren kann.
An welchen Projekten arbeitest du als nächstes?
Zu meinen nächsten Projekten gehören DON’T LET THE SUN (CATCH YOU CRYING) von Jacqueline Zünd, GIRLS & GODS von Verena Soltiz und Arash T. Riahi, HELDIN von Petra Volpe, MUTTERGLÜCK von Johanna Moder und in der zweiten Jahreshälfte folgen zwei amerikanische Produktionen.
Auf was legst du besonderen Wert bei deiner Arbeit?
Grossen Wert lege ich auf eine frühzeitige und offene Kommunikation zwischen den verschiedenen beteiligten Departments und im Tonteam selbst. Ich versuche eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich jede:r respektiert fühlt und jede Idee willkommen ist. Mir ist es wichtig, jedem neuen Projekt unvoreingenommen und mit einer grossen Offenheit und Neugier gegenüber zu treten. Dabei gilt es, jedem noch so kleinen Detail Beachtung zu schenken und gleichzeitig das grössere Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Bei jedem neuen Projekt stelle ich mir die Frage: Was braucht die Geschichte in diesem Moment, wie kann ich sie auf der Tonebene bestmöglich unterstützen und dabei die Vision der Regie umsetzen.
Was gefällt dir an deinem Beruf am Besten?
Die Begegnungen mit Menschen und ihren Geschichten. Immer wieder neue Charaktere und Wahrnehmungsweisen ergründen zu können und mich in ihr Leben und in ihre Welt hineinzuversetzen, um das Verständnis zu entwickeln, das es braucht, eine entsprechende Tonumgebung gestalten zu können. Die Vielfältigkeit und Abwechslung die sich daraus ergibt. Die Möglichkeit ständig Neues dazu zu lernen und meine Leidenschaft mit anderen zu teilen.