Beyond the Screen

Auf Bühne und Leinwand mit Rachel Braunschweig

07.03.2024

An der Berlinale im Wettbewerb zu sehen in IN LIEBE, EURE HILDE, kürzlich den Film FRIEDAS FALL abgedreht und damit bald im Kino, als Staatsanwältin im Schweizer Tatort: Rachel Braunschweig ist präsent! Zeit für Einblicke in ihr Schaffen und die Herausforderung im Schauspiel.

 

Kinofilme, Serien, Theater: Was macht den Reiz aus, auf allen Bühnen zu Hause zu sein?

Es ist definitiv die Vielfalt, die mich antreibt, die unterschiedlichen Arbeitsmethoden, die gefragt sind. Beim Theater ist es die Wiederholbarkeit: Man muss Spass haben am prozesshaften Entwickeln eines Stückes. Im Film sind es der direkte Ton, die Konzentration und der Fokus: Eine andere Art der Präzision. Beides kann wie ein Rausch sein. Im Film ist es wie ein ewiger Flirt; Theater ist flüchtig.

Andreas Dresens neuer Film IN LIEBE, EURE HILDE oder NEUMATT. Was ist herausfordernder, Spielfilm oder Serie?

Eine Serie ist Kräfte zehrender, es braucht eine Vision für den Gesamtbogen einer Serie und für die einzelnen Figuren. Bei der Serie gilt es, viele Handlungsstränge im Auge zu behalten. Nur dann kann ich auch wirklich Anwältin meiner Figur bleiben. Beim Spielfilm fühlt sich alles kompakter und wie ein einziger Sog an. Die Gefahr des «sich Verzettelns» ist kleiner. Wenn es funktioniert, hat beides seinen ganz eigenen Reiz, und ich fühle mich sehr privilegiert, in beiden Formaten zu Hause sein zu dürfen.

Du bist in der DACH-Region sehr bekannt. Wie ist es, sich als erfahrene Schauspielerin im Filmbusiness zu behaupten?

Es ist viel Arbeit. Manchmal wünschte ich mir die Kontinuität einer Filmfamilie. Durch einige schöne Filme sind aber tatsächlich Freundschaften entstanden. Der Wunsch, wiederholt zusammenzuarbeiten, sind die Früchte davon. Das ist sehr berührend. Ich denke, man muss neugierig bleiben und offen und sich für Menschen interessieren. Dann ergeben sich die überraschendsten Synergien.

Was war eine der kuriosesten Filmszenen, die dir auf Anhieb nicht gelungen sind?

Ich habe vor langer Zeit Anna Edlibach in der SRF-Reihe «Die Schweizer» gespielt. Da trug ich ein mittelalterliches Kostüm mit Hut und Schleier. Ich musste eine schwere Eisentür aufstossen und sehr aufgewühlt durch diese Tür treten. Die Tür schlug hinter mir zu und in ihr verfing sich mein Schleier. Ich wurde wie ein Sprungball zurück zur Tür katapultiert. Die Dramatik der Szene erstickte im allgemeinen Lachen.

Für welche Regie schlägt dein Herz?

Justine Triet, Todd Haynes, Andreas Dresen, Petra Volpe, Jonathan Glazer, Alice Rohrwacher, Wim Wenders, Ruben Östlund, Alon Zingman, Yael Ronen, Christian Johannes Koch, Ursula Meier, Samuel Maoz, Valerie Faris, Pedro Almodóvar, Aki Kaurismäki, Carmen Jaquier ...  und Martin Scorsese natürlich. Es ist eine fortlaufende Liste.

Mit wem würdest Du gerne mal drehen, und welche «kontroversen» Rollen interessieren dich?

Wenn die Stoffe eine Dringlichkeit haben und die Figuren einen Entwicklungsbogen, widersprüchlich sind und überraschen, dann interessiert es mich. Ich würde mich aber auch sehr über eine gut geschriebene Komödie freuen. Der Regisseur Pierre Monnard meinte kürzlich: «Du kannst dramatisch und komisch.» Das hat mich sehr gefreut. Ich möchte herausgefordert werden und ich arbeite mit jeder Regie sehr gerne zusammen, die weiss, was sie will und die für den Film brennt.

Wie emanzipiert ist das Filmschaffen? Hat sich etwas am Rollenverständnis, dem Umgang zwischen Regie und Cast geändert?

Mhm … sagen wir es mal so: Ich freue mich immer sehr, wenn die Regie um unser Handwerk weiss und uns auf Augenhöhe begegnet. Es geistern immer noch viele Ängste und eine gewisse Verklärung in der Branche herum, was den Schauspielberuf betrifft. Es ist grossartig, wenn eine Regie sich artikulieren kann, eine Vision hat und wir uns gemeinsam versuchen dieser anzunähern.

Du sprichst vier Sprachen fliessend. In welcher Sprache macht das Schauspielen am meisten Spass?

Das ist eine komplexe Frage. Dialekte oder eine Fremdsprache sind immer auch Mittel, um die Figur anzureichern. Es sind zusätzliche Pinselstriche, die die Figuren bunt machen, ihr einen anderen Klang geben, weil Sprache immer etwas über die Herkunft, das soziale Milieu, Ausgrenzung oder Inklusion innerhalb einer Gesellschaft erzählt. In meinen Muttersprachen fällt es mir leichter zu improvisieren. In einer Fremdsprache zu spielen, ist für mich wie eine Musik, zu der ich mich anders bewege. Es ist etwas Körperliches. Mir macht beides grossen Spass.

Newsletter