Beyond the Screen

Elie Chapuis über Animation und Tricks

23.04.2024

Elie Chapuis ist im Rahmen der TOUR D'EUROPE am Internationalen Trickfilm-Festival Stuttgart 2024 zu Gast. Dort zeigt er seinen Kurzfilm CANARD im Wettbewerb und gibt im Workshop «Passion For Puppets» Einblick in seine Arbeit. Ob «Ente gut, alles gut» ist, verrät er uns hier.

Wie bist du zur Animation gekommen? Gab es einen Künstler, eine Künstlerin, der/die dich begeistert hat, oder gab es einen Schlüsselmoment?

In den 90er Jahren war ich ein Teenager. Es war gleichzeitig eine sehr aufregende Zeit für die Stop-Motion: Die ersten drei WALLACE & GROMIT-Filme und THE NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS kamen zusammen mit den Stop-Motion-Filmen aus den ehemaligen Sowjetländern, die vorher nur sehr schwer zu sehen waren, raus. Es sind die Filme von Jan Svankmajer, Jiri Tranka und all diesen grossen Meistern der Puppenkunst, die mich wirklich und für immer geprägt haben.

Dein Kurzfilm CANARD hat für viel Gesprächsstoff gesorgt. Wie kamst du auf diese Idee?

Es gibt zwei Inspirationsquellen für meinen Film: Zum einen ein jiddisches Märchen, wahrscheinlich ungarischer Herkunft, das ich vor Jahren gehört habe, und das mich sehr geprägt hat - auch wenn ich mich davon entfernt habe, vor allem durch den phantastischeren, ja sogar horrorartigen Ton, den mein Film angenommen hat. Andererseits, zum Zeitpunkt des Schreibens, versuchten Paare aus meinem engen Freundeskreis, Kinder zu bekommen, manchmal mit grossen Schwierigkeiten, Ich war beeindruckt und fasziniert von ihrer Not, manchmal auch von ihrer Wut und Hilflosigkeit und auch davon, wie dies in ihr tägliches Leben, aber auch in ihre Träume und ihr Unterbewusstsein, eindrang.

Bernadett Bricout (Arte) beschreibt CANARD als eine Horrorgeschichte. Der unerfüllte Kinderwunsch, das kosmische Ei einer Ente und die Suche nach Harmonie...

Für mich stellt die ENTE (le CANARD) einfach ein Tier dar, auf das die Heldin des Films ihren ganzen enttäuschten Kinderwunsch projizieren kann. Die Ente wird zum dritten Element in der Beziehung zwischen ihr und ihrem Mann und zu diesem kleinen Sandkorn, das die ganze zerbrechliche Mechanik ihres Alltags stören wird. Am Ende des Filmes verwandelt sich ihr Ehemann in eine Ente, was auch eine weitere mögliche Interpretation darüber eröffnet, wer die Enten in diesem Hühnerhof sind... Für mich stellt das Ei das Geheimnis der Schöpfung dar. Bei einem Ei weiss man nie, was sich darin befindet: Ist es gut, abgelaufen, lebendig oder tot, befruchtet oder unfruchtbar? Erst wenn es schlüpft, erhält man die Antwort auf all diese Fragen, die uns völlig überfordern. Ich habe es geliebt, dies im Film in vielen verschiedenen Formen und Symbolen zu verwenden.

Haben animierte Spielfilme in der Schweiz an Attraktivität gewonnen?

Ja, es gibt immer mehr Projekte, die sich in der Entwicklung und Produktion befinden. Das Problem ist immer noch das gleiche: Mit sehr hohen Kosten pro Minute ist es ein Format, das derzeit schwer zu finanzieren ist, weil es an den verfügbaren Mitteln mangelt.

Gibt es Geschichten, die für die Animation besser geeignet sind?

Ich glaube, dass alle Themen in der Animation angesprochen werden können, selbst die härtesten oder erwachsensten. Sei es in MEIN LEBEN ALS ZUCCHINI, WALTZ WITH BASHIR oder CHICKEN RUN, ermöglicht es die Animation, alle komplexen Themen sensibel, aber auch mit der Distanz und den Metaphern, die die Stilisierung der Figuren ermöglicht, umzusetzen.

Gibt es Techniken, die du gerne ausprobieren würdest?

Ja, für eines meiner nächsten Projekte würde ich gerne Papierschnitt-Animation auf Legetrick verwenden, aber auch Stop-Motion-Animation in der Natur, ausserhalb eines Studios, einsetzen. Und obwohl Zeichnen und Malen überhaupt nicht meine üblichen Medien sind, würde ich sehr gerne die animierte Bild-für-Bild-Malerei ausprobieren. Ich denke, dass jede Geschichte ihre eigene Technik benötigt. Und ich habe Geschichten zu erzählen, die gar nicht für die Stop-Motion geeignet sind - die Technik, mit der ich seit 20 Jahren arbeite.

Du hast an vielen einigen langen Animationsfilmen mitgearbeitet, darunter SAUVAGES, der bald Premiere feiert, oder NO DOGS OR ITALIANS ALLOWED, der viel Lob erhielt. Wie sieht es mit einem eigenen langen Animationsfilm aus?

Um ganz ehrlich zu sein, fühle ich mich durchaus bereit, bei einem abendfüllenden Stop-Motion-Film Regie zu führen oder als Co-Regisseur aufzutreten. Allerdings fehlt mir noch das Wichtigste: Eine gute Geschichte, die ich in mehr als einer Stunde erzählen kann. Ich habe es nicht eilig, aber es ist ein sehr attraktives Format!

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