BEYOND THE SCREEN: MELODIE SIMINA

Die Schweizer Schauspielerin ist in verschiedenen Sprachen und Filmkulturen zuhause. Sie blickt zurück auf ihren Werdegang und erklärt, was sie von neuen Rollen erwartet

01.11.2024

Ihr internationales Debüt feierte Melodie Simina 2021 in der britischen Sky-Serie DOMINA. In den letzten Jahren spielte sie in zahlreichen Serien und Kinofilmen wie Doris Dörries Film FREIBAD oder der Netflix-Miniserie SCHLAFENDE HUNDE. Zurzeit ist sie in einer Hauptrolle in der ARD-Serie SCHWARZE FRÜCHTE zu sehen. Im November kommt sie mit ihrem ersten französischen Film 37: L'OMBRE ET LA PROIE ins Kino.

2016 hast Du die Koffer gepackt und bist aus der Schweiz nach Köln gezogen. War das ein grosser Schritt für dich?

Ein sehr grosser Schritt, vor dem ich echt Respekt hatte! Ich wusste aber, das ist das Richtige, das MUSS ich machen. Meine Vorfreude hat meine Nervosität übertrumpft und ich bin bis heute so dankbar, dass ich diesen Schritt gewagt habe.

Etwas später bist du nach London gezogen. Hatte das mit deinem Durchbruch mit der Serie «DOMINA» einen Zusammenhang?

DOMINA hat nicht direkt etwas mit meinem Umzug nach London zu tun, aber es hat mir auf jeden Fall eine neue Welt eröffnet. Während der Pandemie habe ich mich immer mehr danach gesehnt, mal einen richtig grossen Schritt zu wagen; in ein Land ziehen, wo nicht meine Sprache gesprochen wird; in eine andere Kultur und eine andere Community. London ist eine so diverse Stadt, das MUSSTE ich einfach erleben!

Ich hatte auch gleich die Chance mit einem jungen aufstrebenden Regisseur Beru Tessema zusammenarbeiten. Sein britischer Kurzfilm LIONS wurde für den BIFA nominiert und beleuchtet eindringlich die unterschiedlichen Erfahrungen von Armut im modernen Grossbritannien.  Ich habe die Rolle der Rosie verkörpert, eine kongolesischen Teenagerin, die frisch in London angekommen ist. Der Film wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2023 als bester Kurzfilm bei den African Movie Academy Awards und ich hatte ich die Ehre dafür beim Les Capucines du Cinéma als beste Schauspielerin ausgezeichnet zu werden. 

Der deutsche Kurzfilm «I AM» mit dir in der Hauptrolle wurde 2021 für die Student Academy Awards nominiert. Wie hat sich das auf deine Arbeit ausgewirkt?

Das war alles sehr aufregend! Die Arbeit unter der Regie von Jerry Hoffman war großartig, und ich hatte das grosse Glück, Sheri Hagen als Kollegin an meiner Seite zu haben. So ist etwas wirklich Wunderbares entstanden. Ich kann nur empfehlen, auch studentische Projekte zu unterstützen. Dadurch erreicht man ein breites Publikum auf Filmfestivals und gewinnt an Sichtbarkeit.

Du hast mit der Serie «SCHWARZE FRÜCHTE» am Tribeca in New York Premiere gefeiert und vor kurzem am Filmfest Hamburg Deutschlandpremiere. Was sind deine persönlichen Highlights der Serie?

Ich liebe diese Serie so sehr und freue mich zu sehen, wie sehr sich das Publikum freut und verstanden fühlt! Ich bin stolz darauf, dass wir Menschen eine Stimme geben, die sonst leider keine haben. Die Serie zeigt das authentische Leben von Schwarzen, queeren Menschen in Deutschland. Die Serie vibriert regelrecht und ist einfach mutig. Der Showrunner Lamin Leroy Gibba hat sich da wirklich etwas getraut, was die Serie so besonders macht. Ich hoffe wir inspirieren oder motivieren damit weitere Filmschaffende, Producers und Autor:innen, mehr Risiken einzugehen. Das ist etwas, was unsere Generation im Fernsehen sehen will.

Aktuell bist du im Psychothriller «37: L'OMBRE ET LA PROIE» von Arthur Môlard zu sehen – deine erste Rolle in einer französischen Produktion, die im November in die Kinos kommt. Wie kam diese Zusammenarbeit zu Stande? 

Durch meine Agentur Actorsgarden ergab sich eine Kooperation mit der französischen Agentin Maelle Venin. Sie erzählte mir von diesem Projekt und schlug mich dafür vor. Das Drehbuch von Arthur Molard und Claire Patronik zog mich beim Lesen sofort in seinen Bann. Ich konnte den Schmerz der Geschichte sofort spüren – eine schwere und intensive Erzählung. Einige Wochen später kam dann der Anruf: Die Produktionsfirmen Sony Films und Moana Films waren begeistert von mir! Ich bin für ein Live-Casting nach Paris gereist – the rest is history! Der Film ist absolut empfehlenswert; ein aussergewöhnlicher Kinofilm mit vielen Arthouse-Elementen.

Du bist mehrsprachig und spielst in britischen, deutschen und französischen Filmen. Unterscheiden sich auch die Filmstile oder die Dreharbeiten?

Die Dreherfahrung ist in allen Ländern verschieden, das hängt ganz von der dortigen Kultur ab. An jedem Set, in jedem Land, wo ich arbeiten darf, lerne ich etwas dazu. Mit der Zeit weiss man, worauf man sich einlässt, oder was man am Set erwarten kann.

Das Thema Diversität ist omnipräsent, wie nimmst du das in der Filmbranche war? Hast du da Vorbilder?

Einige Länder sind Vorreiter, was Diversität betrifft. England zum Beispiel. Ich liebe deren Serien, aber genauso liebe ich es, wie sie diese besetzen. Oder auch Frankreich, wo die Population viel diverser ist, vor allem in Paris. Das widerspiegelt sich dann auch in den Filmen und Serien. Es gibt aber überall noch Luft nach oben. Ich freue mich, dass jetzt auch in Deutschland das Thema Diversität immer ernster genommen wird.

Gibt es für dich als Person of Colour ein breiteres Spektrum an Rollen oder ist die Branche da eher konservativ?

Die Rollen werden immer besser. Ich fühle mich sehr privilegiert, so viel drehen zu dürfen. Es sollen aber nicht nur diverse Menschen besetzt werden, um eine Quote zu erfüllen. Wir brauchen auch echte Geschichten. Wir sind keine Lückenfüller, sondern wollen komplexe Rollen, mit echten Problemen, Liebesgeschichten und so weiter. Ich bin optimistisch und hoffe, dass Diversität bald gar kein Gesprächsthema mehr ist, sondern als selbstverständlich gesehen wird.

Mit wem würdest du gerne einmal drehen?

Meine Vorbilder sind Viola Davis und Natalie Portman. Beide sind nicht nur aussergewöhnliche Schauspielerinnen, sondern auch beeindruckende Persönlichkeiten, die mit ihren Rollen und ihrem Engagement nachhaltig inspirieren. Viola Davis verkörpert in ihren Darstellungen oft Frauen, die trotz grosser Widerstände Stärke und Authentizität beweisen. Ihre Fähigkeit, tiefgehende Emotionen und komplexe Charaktere zu zeigen, beeindruckt mich zutiefst.

Natalie Portman hingegen fasziniert mich durch ihre Vielseitigkeit und Präzision in der Schauspielkunst. Ob in ernsten Dramen oder anspruchsvollen Actionrollen – sie schafft es immer, die Zuschauer:innen in ihren Bann zu ziehen und ihre Rollen glaubhaft und facettenreich darzustellen.

Beide Schauspielerinnen stehen für mich für eine Kombination aus Talent, Hingabe und Integrität. Sie zeigen, dass es möglich ist, als Frau in einer oft herausfordernden Industrie nicht nur erfolgreich zu sein, sondern auch anderen eine Stimme zu geben und etwas zu bewegen. Ich würde liebend gerne mal mit den beiden drehen! Who knows ...

Wie bunt oder divers ist die Schweizer Filmbranche? Würdest du auch gerne in der Schweiz drehen?

Klar, warum nicht – in meinem Heimatland zu drehen, wäre eine wirklich schöne Sache. Genauso wie in anderen Ländern auch, ist in der Filmbranche ein Wechsel im Gange. Es werden neue Gesichter gezeigt, die vorher nicht gezeigt wurden. Es werden Geschichten erzählt, die vorher nicht erzählt wurden. Es wird also alles immer bunter, freier und fröhlicher.

Musstest du in deiner Karriere gegen Widerstände ankämpfen?

Wie in jeder Karriere gibt es Widerstände. Man muss in dieser Branche echt viel Geduld und Ehrgeiz haben und wird gefühlt ständig abgelehnt. Auch Freunde und Familie sind oftmals skeptisch, weil dieser Beruf kein sicheres Einkommen verspricht. Da muss man standhalten können und niemals aufgeben. Ich glaube ganz fest daran, dass alles aus einem Grund passiert. Ich weiss, dass nach vielen Absagen auch Zusagen folgen und diese eine Zusage kann dein Leben komplett verändern. Ich bin unfassbar dankbar für alle Gelegenheiten und Chancen, die mir geboten wurden und freue mich auf alles, was noch kommt.

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